Ich habe Corona! (Teil 1)

In den letzten Wochen nach unserer Infektion ist mir etwas merkwürdiges aufgefallen. Es wird ständig allgemein über Corona geredet, aber die persönlichen Erfahrungen damit werden eher tabuisiert.

Z.B. habe ich nur erfahren, das jemand – gut Bekanntes – ebenfalls Corona hatte, als ich es selbst angesprochen habe. Eine erzählt, das ihr Chef ihr verbietet, offen über ihre Infektion zu sprechen. Jemand anders erklärt, trotz positivem Test (vor 10 Wochen), das es vielleicht nur eine Erkältung war und wir keine Angst haben müssen. Und als ich in einer regionalen Gruppe frage, wer denn hier schon Corona hatte, habe ich keine öffentliche Antwort, sondern nur welche per PN bekommen.

Ich habe lange überlegt ob ich es öffentlich auf unserer Seite poste. Doch genau das braucht es wohl, es offener Umgang, damit Vorurteile und Ängste – von beiden Seiten – abgebaut werden können.

Also: Corona und Ich (Humor ist überlebenswichtig 😉 ) langer Text

Am 22. Dezember bekam mein Mann überraschender Weise die Diagnose „positiv“. Zu dem Zeitpunkt hatte er keinerlei Beschwerden, außer ein wenig Schnupfen. Also ab in Quarantäne … ich als direkte Kontaktperson 1. Grades natürlich auch. Zur Versorgung ließen sich einige Bekannte und Familienmitglieder gewinnen.

Einige Tage später wurde eine Art starke Erkältung mit Fieber, Kopf und Gliederschmerzen daraus. Er hielt sich aber – als Risikopatient über 60 mit Diabetes – wacker. Für mich war es eigentlich nur eine Frage der Zeit oder der Immunantwort meines Körpers, bis ich mich damit anstecken. War mir aber ganz recht, dann habe ich es wenigstens hinter mir. Also keine „räumliche Trennung“ von meinem Mann, sondern Kuschelzeit auf dem Sofa.

Silvester Abend feierte wir – ganz regelkonform – unser „Dinner for two“ mit dreigängigem Menü. Das Kochen habe ich noch locker geschafft, aber noch während des Essens bekam ich ein komisches Gefühl. Zittern und Schweißausbrüche.   Erst Schüttelfrost und danach schnell ansteigendes Fieber. Am anderen Morgen, war ich zwar etwas angeschlagen, aber mir ging es komischerweise stundelang total gut, als wenn überhaupt nichts wäre.

Natürlich habe ich sofort das Gesundheitsamt informiert, die nun mich in Quarantäne schickten und alle Kontakte der letzten Woche wissen wollten – äh.. war ich doch schon, als Kontakt Person ersten Grades meines Mannes und damit hatte ich auch keine Kontakte in der letzten Woche.

 .. aber testen lassen, müsste ich mich jetzt trotzdem noch! Ok -aber was solls denn sonst sein? Und vor allem wie soll ich ins Testzentrum kommen? Ich habe keinen Führerschein, mal abgesehen das ich mit 39 Grad Fieber kein Auto steuern sollte. Mein Mann ist auch noch zu krank um zu fahren und mit jemand anderen darf ich keinen Kontakt haben und muss min. 1,5 m Abstand halten – im Auto???

Wir einigten uns darauf, das ich in ein paar Tage zum Abstich die Praxis meiner Hausärztin aufsuche.

Das war auch putzig- ich hatte sie natürlich vorher informiert und gedacht es gäbe eine Extra Sprechstunde – als ich da ankam, durfte ich ganz normal zur Anmeldung rein. Danach sollte ich natürlich nicht ins Wartezimmer, sondern wurde auf den Flur platziert. Im Durchgangsbereich von mehreren anderen Praxen. An mir kamen in der Wartezeit garantiert mehr Leute vorbei, als im Wartezimmer saßen.  Ich denke das Virus hat sich über das Angebot gefreut.

Abstrich gemacht. War gar nicht so schlimm wie angekündigt.

Wie sollte es anders sein, der Test war positiv, wie mir die Mitarbeiterin vom Gesundheitsamt am nächsten Morgen mitteilte. Überraschung, Überraschung! Die üblichen Belehrungen … die ich schon von meinem Mann kannte.

Nun war ich also eine von DENEN die Corona haben. Ich gehörte zur Statistik.  

Es war spannend was sich dieses Virus so alles einfallen ließ.  Immer wieder was Neues… mal schmerzte der Kopf, mal der Bauch, mal die Gelenke, so das ich kaum aufstehen mochte.  Abends wieder ein wenig Fieber und nachts ein wenig mehr … bis über 39,6. Fieber ist ja an für sich, was Gutes. Unsere Abwehr fährt hoch und bekämpft den Erreger. Da mach ich mir keinen Stress mit. Kühlpack, Wadenwickel und gut.  

Am anderen Tag Schüttelfrost und ein wenig Halsschmerzen … Stunden später Kopfschmerzen und Schnupfen .. danach gings wieder stundenlang gut. Dann wieder extreme Kälteschauer, wo selbst die Heiße Dusche nicht mehr wärmte. Verrücktes Zeug.

Nach ca. 5 Tagen kam dann zu einem sehr interessanten Phänomen, mein Geruchssinn veränderte sich. Eigentlich hatte ich die ganze Zeit drauf gewartet, weil alle sagten, das wäre ein sicheres Zeichen für eine Covid Infektion. 

Das spannende war, ich habe meines Geruchs und Geschmackssinn nicht verloren, im Gegenteil er verstärke sich.  Plötzlich fiel mir der Zigarettengeruch von meinem Mann extrem auf, wenn er vom Rauchen reinkam. Bah.. hatte ich sonst nie bemerkt. Wenn ich den Kühlschrank öffnete, konnte ich sofort sagen welcher Käse auf war. Putzmittel mit künstlichen Duftstoffen – nur noch ekelig.  

Genauso erging es mir mit dem Geschmack. Alles war zu salzig, Salami ging gar nicht. Oder zu süß, ganz viele Sachen schmeckten -aufgrund irgendwelcher Inhaltsstoffe – zunehmend bitter, z.B. Jogurt.

Nach zwei – drei Tagen mochte ich nur noch Wasser trinken und Obst essen.  Das, in Verbindung mit dem hohen Fieber führte zu einer Dehydration und als ich eines Nachts bei einem Hustenanfall keine Luft mehr bekam und ich denke, das ich kurz bewusstlos war – weil ich als nächstes das Gefühl hatte, aufzuwachen, war auch für mich „Schluss mit lustig“. Ich bat um Einweisung ins Krankenhaus. So einen Anfall in der Nacht brauchte ich nicht nochmal. Mal abgesehen davon, konnte ich gar nicht so viel trinken wie ich Durst hatte und fühlte mich immer mehr „ausgetrocknet“.

Also Hausärztin informiert, Einweisung bekommen und Rettungsdienst angerufen. Die kamen dann auch nach ner Stunde … mit Maske, Handschuhe und bis an die Haarspitzen in einen weißen Overall verpackt. Sah schon ein wenig aus wie aus deinem Katastrophen Film. „… und danach muss er noch den ganzen Wagen desinfizieren ..“

Im Krankenhaus angekommen, war die erste Frage nach dem Infektionsweg und den Kontaktpersonen. Wann, wo, wie und wieso konnte das Virus mich erwischen???  Keine Frage, nach meinem akuten Befinden.

Irgendwo in dem riesen Krankenhaus Bunker, war eine Station notdürftig mit einem Holzrahmen mit Plastikfolie abgeteilt worden – „abgesichert“ kann ich nicht sagen, da zwischen dem Rahmen große Lücken klafften. Aber Hauptsache es wirkt „sicher“ und es gab eine Klingel und Desinfektionsspender!! ?

Auf dem Zimmer versuchte man mir erstmal Blut abzunehmen, was aufgrund der Dehydrierung nicht klappte. Meine Venen waren dicht. Ich hatte es vorher mehrmals erwähnt … aber ok – der Infektionsherd war ja wichtiger.  Und da es jetzt nicht anders ging, gabs erstmal einen Tropf zum auffüllen des Flüssigkeitsmangels. Dazu gleich was Fiebersenkendes dazu. Und siehe da, am nächsten Tag ging das Blutabnehmen gleich viel einfacher.

Im Krankenhaus fühlte ich mich sicherer als Zuhause, auch wenn sie hier nichts weiter tun konnte. Ein Medikament gegen Corona gibt es nicht. Es gibt nur etwas um die Symptome z.B. das Fieber zu senken. Eine Spritze Heparin zum Blutverdünnen – gegen Thrombose. Und bei Bedarf sollte ich inhalieren, ein Bedürfnis das ich zuhause schon hatte und das mir gut tat.

Ich hatte eine Lungenentzündung und eine zu geringe Sauerstoffsättigung .  Das war die medizinische Seite, welche die Ärzte mit Hilfe ihrer technischen Ausrüstungen feststellen konnten. Das wirklich Interessante konnten sie leider nicht anhand von Messwerten erhalten …. Und gefragt hat keiner.

Äußerlich schein alles gut zu sein. Es funktionierte irgendwie, ich konnte mich bewegen, unterhalten ….

Aber etwas war anders. Ich stand völlig neben mir.  Meine eigene Wahrnehmung war eingeschränkt. Z.B. hatte ich überhaupt nicht registriert, dass ich tagelang eine extreme Zahnfleischentzündung hatte. Mir fiel erst es erst auf, das beim essen etwas anders war, es tat weh. Aber ich konnte nicht genau definieren, warum.  Als wenn ich meinen Körper nicht richtig spüren konnte, auch beim Duschen und Essen fühlte sich alles irgendwie komisch an.

Als ich am zweiten Tag wieder Hunger verspürte und etwas zu Mittag essen wollte; saß ich da und überlegte ernsthaft, wie man mit Messer und Gabel isst. Ich wusste, dass ich es weiß, aber es fühlte sich alles “falsch” an. So als wenn ich nicht auf das automatisierte Wissen zugreifen konnte. Das war nochmal was anders, als reine Vergesslichkeit oder Wortfindungsstörungen.

Ok, das Virus kommt also bis ins Riechzentrum, ins Gehirn. Wie schafft es das nur durch die Blut-Hirnschranke zu kommen? Das logische Denken war demnach völlig in Ordnung, nur die Verbindung der Wahrnehmung meines eigenen Körpers war irgendwie „defekt“. So könnte sich eine Depersonalisierung (Begriff aus der Psychologie) anfühlen. 

Mein verstärkter Geruchs- und Geschmacksinn wurde im Krankenhaus auch immer wieder auf die Probe gestellt.  Da ich meine Deocreme vergessen hatte, wollte ich ein Spray benutzen, das wohl von einer Vorpatienten im Bad stand. Booh … metallisch scharfer Gestank ließ mich sofort nach dem ersten Sprüstoß aus der Bade Box flüchten und das Fenster aufreißen, um nach Luft zu schnappen.

… das Mittagessen habe ich nach Geruch gewählt, indem ich vorsichtig den Deckel lüftete. Totes Tier .. Fleisch roch wirklich nach Verwesung, bah. Kartoffeln gingen immer und Gemüse was meistens auch ok. Als Nachtisch gab es fast täglich diese Werbeportionen von irgendwelchen Dessert Herstellern. Milchreis mit Zimt oder Schaumcreme, ich weiß nicht was da drin ist, aber es roch nach Holz und Spüli.

Schon komisch, das mich dieses Virus dazu brachte mich extrem gesund zu ernähren. Und faszinierend, wie eingeschränkt unsere Sinne im Normalfall sind.

Einen Krankenpfleger – mit einem intensiven Aftershave- konnte ich schon im Vorbeigehen auf dem Gang riechen. Das Reinigungsmittel der Putzfrauen hatte einen intensiven Zitrus Bitterstoff. Gegen meine trocknen aufgeplatzten Lippen bekam ich eine „Heil“creme von einem bekannten Hersteller, welche extrem nach Erdöl roch. Sorry, Paraffin kommt mir nicht auf meine Lippen.

Als ich diese Symptome einer Pflegefachfrau gegenüber erwähnte, war die spontane Antwort: „Sowas gibt’nicht. Hab ich noch nie gehört …“

Und? heißt das jetzt, das ich mir das jetzt einbilde oder was?

Wie wäre es wenn das Universitäts Klinikum, mal eine Erhebung alle Symptome und Krankheitsverläufe macht und dokumentiert – anstatt 30 min. nach dem Infektionsweg zu fragen . Uns fehlen noch so viele Informationen über dieses Virus, die vielleicht hilfreiche wären.

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