Um Hilfe bitten und Hilfe annehmen

Abenteuerland (Frauengesprächskreis) September 2024

Gerade im spirituellen Bereich entstehen durch solche psychologischen Themen oft Missverständnisse. Ich möchte helfen, diese Situationen von verschiedenen Seiten zu beleuchten, damit wir uns besser darin erkennen und Lösungsmöglichkeiten finden können.

Auch für mich ist es ein aktuelles Thema, für das ich noch keinen adäquaten Umgang gefunden haben. Seit ich mit den Folgen von Corona – Long Covid – zu tun habe, fallen mir viele Dinge schwerer und ich brauchen doppelt so viel Zeit für die Hälfte der Arbeit.

Also was tun?

Eine Möglichkeit ist es langsamer zu machen oder einiges völlig aufzugeben oder um Unterstützung zu bitten. Und das fällt mir ehrlich gesagt immer schwerer. (Aufgrund von verschiedenen Erfahrungen)


Fragerunde

Wie geht es dir mit dem Thema?
Kannst du gut um Hilfe bitten, wenn du sie brauchst?

Ich möchte als erstes einen Satz zur Diskussion stellen:

Um Hilfe bitten hat immer auch etwas damit zu tun, sich selbst “Schwächen ” einzugestehen.

Frage: Ist das wirklich so?

Wobei brauchst du Hilfe?

z.B. brauche ich Hilfe bei der Steuererklärung. Ich mag mich nicht mit diesem Papierkram beschäftigen. Viele Zusammenhänge erklären sich mir nicht und ich finde es schwierig alles zu wissen, was notwendig ist, damit ich es richtig ausfülle und das mir zustehende Geld, mein Recht, bekomme. Ich würde viele Fehler machen

z.B. ich brauche Hilfe wenn ich eine Lampe anschließen will. Ich kenne mich nicht mit Elektrik aus. Es ist keine Angst, ich weiß wo die Sicherung ist … aber nein .. Ich muss nicht alles können, ich muss nur wissen wer es kann.

In diesen Fällen habe ich kein Problem mir Unterstützung zu holen. Das ist professionelle Hilfe für die ich einen Ausgleich leiste. Ich bezahle die Handwerker und Sachbearbeiter.

Frage: Hast du damit Probleme?

Die meisten von Euch nicht. (es sei denn du hast eine Sozialphobie, aber das ist ein anders Thema)

Also wann genau, wird Hilfe annehmen zu einem Problem? Wenn es aus dem Sachbereich in einen persönlichen Bereich geht? Z.B. Haushalt oder Körperliche Pflege.

Jain, die meisten von uns nicht noch nicht in dieser Lage und haben trotzdem Probleme. Eine Putzfrau ist für viele ein Luxus, für den sie sich nicht schämen.


Aha.  Es kann also zu einem Problem werden, wenn wir uns die Hilfe nicht leisten können. Wenn wir keinen Ausgleich dafür geben können.

Frage: Was meinst du dazu?

Oft höre ich den Satz: „Wer schwach sein kann, ist stark“. Ist so ein spirituelles Mantra 😉

Viele hören es, viele sagen es und fühlen doch das Gegenteil: Wenn man Schwäche zeigt, macht man sich angreifbar. Davor haben viele Angst und das leider nicht ohne Grund

Ich denke, die Akzeptanz der Schwäche ist nur ein Teil des Problems. Es ein Zeichen der realistischen Selbsteinschätzung, seine eigene Grenze zu kennen.

Die eigene Begrenzung zu akzeptieren, ist ein Zeichen von Stärke.

Damit wären wir aber immer noch nicht bei der Akzeptanz von Hilfe.

Und daran sind einige Glaubenssätze schuld, die wir in unserem Leben ausgeprägt haben.

Den ersten hatten wir ja schon:

  • Hilfe annehmen ist ein Zeichen von Schwäche

Schau dich doch mal in der Gesellschaft um. Wir werden von klein auf zur Selbständigkeit erzogen.

„Du bist schon groß, du kannst das alleine“

 Oder später; Nur wer aus eigener Kraft alles schafft, wird respektiert! Die alleinerziehende Sozialhilfe – finanzielle Hilfe – Empfängerin nicht, nur die Mutter die ganztags arbeiteten geht.

Wir predigen ständig „Hilfe zur Selbsthilfe“ und sind mit Ratschlägen schnell dabei.

„Mach das doch so …  oder lieber so … Du musst doch nur…“

Und in dieser Atmosphäre sollen wir lernen um Hilfe zu bitten??

Insbesondere ältere Menschen, die bislang ihr Leben selbständig gemeistert haben, tun sich schwer. Sie haben das Gefühl, sie könnten die Kontrolle über ihr Leben verlieren und würden zusehends unselbständiger.  Es ist belastend, wenn der Körper und auch der Geist nicht mehr wie gewohnt mitspielen. Wer wahrnimmt, dass die eigenen Kräfte nachlassen, muss sich mit der Zeit mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen. Das allein, ist schon schwer zu akzeptieren.

Aber das ist nur ein Teil des Problems

Falsche Glaubenssätze, die Annahme von Hilfe erschweren, gibt es eine ganz Menge

z.B.  Kommt bei mir oft der Satz in den Sinn.

  • Bis ich das erklärt habe, bin ich schon fertig

Ja, das ist tatsächlich häufig so. Ein anderer Mensch braucht eine Erklärung, bis er versteht was du brauchst. Niemand kennt deine Vorlieben und Aufgaben so wie du.  Und vielleicht würde er/sie es ganz anders machen.

Frage: Bekommst du die Hilfe die du brauchst?

Wenn nein, warum nicht? Was macht es schwierig sie passend zu formuliere?

Verhältnis zum Gegenüber, Möglichkeiten, Verständnis

Damit kommen wir zum zweiten Glaubenssatz:

  • Nur wenn ich es selbst mache, wird es so wie ich es haben will.

Na, ja .. da kommt der kleine Perfektionist zum Vorschein. Und das Gewohnheitstier. Wir sind bestimmte Vorgaben gewohnt und hätten es gerne immer so, wie wir es machen. Ein anderer Mensch hat andere Vorstellungen. Das bedeutet nicht das es nicht gut ist, nur eben anders.

Und ja, es kann enttäuschend werden, wenn jemand es gar nicht oder zu spät oder mangelhaft ausführt.  Dann müssen wir nicht nur mit unserer Hilflosigkeit sondern auch noch mit der Enttäuschung klar kommen.

Ich habe inzwischen die Erfahrung gemacht  “Vergiss es und mach es lieber selbst”

Und noch ein Glaubenssatz:

  • Annahme von Hilfe verpflichtet zu einer Gegenleistung.

Aber nein, werden jetzt viele sagen, die ihre Hilfe anbieten. „Ich mach das doch gerne für dich“

Aha, da hast du doch schon deine Gegenleistung. Das gute Gefühl, geholfen zu haben

Und Lob dafür zu bekommen.

Wer immer gerne hilft, kann sich als edler Ritter in der Not fühlen.

Doch auch damit gerät eine Beziehung schnell ins Ungleichgewicht.

Das Prinzip des Ausgleichs ist sehr tief in uns verankert  (siehe für Hilfe zu bezahlen)

„Wie du mir, so ich dir“ und so kommt zur Schwäche eingestehen, noch die Befürchtung es nicht wieder ausgleichen zu können.

Helfer und Hilfloser sind zwei Seite, die sich von der einen Seite nach Abhängigkeit und von der anderen als Ausnutzung gesehen werden kann.

Zuletzt bedeutet Hilfe annehmen immer auch, dass wir jemanden etwas schuldig sind. Und wer steht schon gerne in der Schuld von jemandem? Vor allem da oft nicht klar ist, wie hoch der Preis der Gegenleistung ausfällt

Frage: Was erwartest du für deine Hilfe?

Noch ein Glaubenssatz:

  • Andere Menschen sind bedürftiger als ich.

Gerade wenn wir empathisch sind, erkennen wir häufig die Bedürftigkeit anderer Menschen eher als unsere eigenen.

Doch wer entscheidet, dass andere Menschen mehr Unterstützung benötigen als du selbst? Woran können wir das messen?  Und welchen Nutzen hat es, wenn dann keiner um Hilfe bittet.

Und noch Glaubensgrundsatz der damit häufig in Zusammenhang steht.

  • Ich möchte niemanden zur Last fallen.

Viele wollen andere Menschen nicht mit ihren Belangen belästigen. Sie erzählen nur beiläufig von den persönlichen Schwierigkeiten. Folglich entsteht das Problem, dass gute Freunde und Familienmitglieder gar nichts von der Problematik wissen.

Und ja, einige Menschen, die gerne helfen würden, können es selbst nicht! Viele Menschen kommen mit ihrem eigenen Alltag nicht klar, können sich selbst kaum helfen, aber machen trotzdem Hilfsangebote, die sie dann auch nur mäßig erfüllen können und selbst immer mehr in Ungleichgewicht kommen.

….  einen Glaubenssatz habe ich noch

  • Meine Bitte könnte abgelehnt werden.

Es ist schwer mit einem Nein umzugehen, insbesondere dann, wenn wir wirklich Hilfe benötigen, tut eine Ablehnung weh und verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit.

Wobei wir da beiden Seiten sehen müssen.

„Klar, helfe ich dir gerne … wenn ich Zeit habe.“ „Oh, ne sorry, da bin ich in Urlaub“ Es gibt häufig einen Zeitfaktor. Jeder Mensch hat einen Alltag voll mit eigenen Aufgaben, die eigene Familie, das eigene Haus, der eigene Garten, so dass keine Frei-Zeit mehr bleibt um anderen zu helfen.

Oder auch eigenen Einschränkungen: „Oh, Fensterputzen …das kann ich nicht mehr, hast du nicht was anders zu tun? Ich werde mal deine Küche aufräumen …während du Fenster putzt.“

(Die war in meiner Sicht aufgeräumt. War also nicht die Hilfe die ich brauchte. Danach fand ich nichts mehr wieder, zwei Brettchen waren im Müll, weil nicht mehr zu reinigen und eine Kiste leerer Flaschen für die Elixiere waren im Altglas gelandet. Ich habe wohl eher Schwierigkeiten Hilfsangebote abzulehnen)

Und noch ein Punkt

  • Andere Menschen könnten schlecht von mir denken und über meine Schwächen reden

Ja, das tun Menschen. Sie reden immer, auch oder gerade über andere, das können wir nicht vermeiden und es ist menschlich. Und wenn sie nicht reden, so denken sie zumindestens.

Die Frage ist vielmehr wie sie es tun. Es gibt informative Formen, respektvolle wertschätzende Mitteilungen oder aber abschätzendes Lästern.

„Die Wohnung ist nicht geputzt. Sie lebt in einem Drecksloch. So könnte ich nie leben.“

„Sie arbeitet nicht und sitzt den ganzen Tag zuhause, das sollte sie doch schaffen……“

„….

Doch solche Aussagen sagen mehr über den Redner aus, als über Dich.

Und doch entsteht das Gefühl der Scham. Wir schämen uns nicht weil wir schwach sind, sondern wegen bestimmter Eigenschaften, die uns ausmachen und haben dann Angst, das andere diese abwerten können.

Scham ist eine komplizierte Gefühlslage.

Doch gerade dieser letzte Punkt macht es am schwierigsten

Wenn es z. B. um  Rasenmähen geht, beim Umzug helfen oder ähnliches weil vielleicht eine nach außen nicht sichtbare Erkrankung vorliegt…

Und man im Nachhinein zu hören bekommt, dass man den ganzen Tag nur faul rumsitzt oder dass man dann halt seinen Garten lieber abgeben sollte … (Hab ich alles schon gehört)

… dann macht das was mit einem und zwar auf beiden Seiten.  Es kommt zu einem massiven Ungleichgewicht von scheinbarer Überlegenheit und Unterlegenheit. Das sprengt jedes Vertrauen und jede Beziehung.

Ein paar von solchen Erfahrungen reichen aus, um nie wieder um Hilfe zu bitten. Oder sich zumindestens sehr schwer damit zu tun.

Die Problematik von Hilfe annehmen liegt also nicht nur auf einer Seite, sondern darin wie sie von beiden Seiten gelebt wird.

Um Hilfe bitten ist Lebensnotwendig

Menschen sind soziale Wesen, die seit Urzeiten in Gruppen auftreten, um zu überleben. Zu denken, der Fortschritt der Menschheit könnte uns plötzlich alles allein schaffen lassen, geht nicht auf. Das Leben ist allein nicht zu meistern. Es sollte also der Punkt im Leben eines jeden einzelnen kommen, an dem man lernt, Hilfe anzubieten und Hilfe anzunehmen.

Helfen und Helfen lassen, will gelernt sein.

Beginn damit Hilfe anzubieten und schau wie es dir damit geht.

Es funktioniert besonders gut, es erstmal in öffentlichen Situationen zu üben.  z.B. ehrenamtlich bei einer Organisation. Hier gibt es klare Aufgaben und Regeln, die das Helfen und Helfenlassen bestimmen

Frage: Hast du schon mal ehrenamtlich gearbeitet? Wenn ja warum? Wenn nein, warum nicht.

Danach können viele Situationen in denen wir üben können.

Den Flurputzdienst für eine ältere Nachbarin übernehmen. Einen Einkauf für den kranken Nachbarn erledigen, Blumengießen, Hund ausführen oder, oder, oder …

Kannst du alle Situation vorbehaltlos gegenüberstehen und das tun, was sich der Hilfesuchende wünscht; ohne belehrend zu wirken und dich ausgenutzt zu fühlen?

Dann kannst du vom positiven Nutzen profitieren

  • Hilfe und Unterstützung fühlen sich gut an

Die Hilfe fühlt sich nicht nur für den Helfenden gut an, auch der Hilfesuchende erfährt, dass er nicht allein ist, sondern dass er Menschen in seiner Nähe hat, die für ihn da sind.

  • Hilfe anzubieten festigt Beziehungen

Oft bleibt es nicht bei dieser einen Hilfestellung. Durch die Unterstützung ist ein Anknüpfungspunkt zu weiteren Gesprächen entstanden. Helfer und Hilfesuchender begegnen sich und tauschen sich aus, was aus dem Problem geworden ist. Darüber ergeben sich neue Gesprächsthemen.

  • Annahme von Hilfe macht nahbarer

Es gibt Menschen, die immer unglaublich stark erscheinen. Nichts scheint, für sie ein Problem zu sein. Wer hingegen zeigt, dass er nicht alles allein bewältigen kann, wirkt nahbarer.

  • Gegenseitige Hilfe schafft positive Entwicklungsräume

„Keiner kann alles und jeder ist in etwas gut.“ Wenn wir Hilfe annehmen und anderen helfen, bringen wir uns gegenseitig weiter. Es entsteht ein Prozess, in dem sich alle weiterentwickeln.

  • Hilfe geben und nehmen erleichtert zukünftige Hilfe

Hier und da um Hilfe bitten, hat Signalwirkung für die Zukunft. Wer hingegen nie hilfsbedürftig zu sein scheint und Hilfsangebote ablehnt, wird wenig Unterstützung von anderen erhalten.

Es gibt also viele gute Gründe sich aufs Helfen einzulassen.

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